Hülfskasse – Seit über 135 Jahren Solidarität innerhalb der Anwaltschaft
Geschichte
„…nach meiner erfolgten Rückkehr aus der russischen Kriegsgefangenschaft ist es mir ein besonderes Bedürfnis, Ihnen für die großzügige Hilfe und Unterstützung, die Sie meiner Frau und meinen Kindern während der langen Jahre der Kriegsgefangenschaft zuteil werden ließen,
meinen herzlichsten Dank auszusprechen.
Die Hilfsgemeinschaft Deutscher Rechtsanwälte ist (…) die einzige Berufsorganisation gewesen, die ihre gefangenen Kollegen in der Kriegsgefangenschaft nicht vergessen hat…“
Ein ehemaliger Kriegsgefangener 1955
Bilder und Dokumente
Geschichtlicher Hintergrund der Hülfskasse Deutscher Rechtsanwälte
Die ersten Jahre nach der Gründung
Die Hülfskasse Deutscher Rechtsanwälte wurde als Genossenschaft nach dem königlich-sächsischen Gesetz am 8. März 1885 in Leipzig gegründet. Bereits am Ende des Gründungsjahres zählte die Hülfskasse 2.400 Mitglieder. Das war fast die Hälfte aller seinerzeit zugelassenen Rechtsanwälte. In den ersten zehn Jahren ihres Bestehens unterstützte die Hülfskasse Bedürftige mit insgesamt rund 280.745 Mark. Die Zuwendungen gingen hauptsächlich an Mitglieder der Rechtsanwaltskammern in ländlich strukturierten Gebieten, da dort die Not besonders groß war.
Vom 1. Weltkrieg zum 2. Weltkrieg
Zu Beginn des 1. Weltkrieges legte die Hülfskasse 1914 einen Kriegsfonds auf, der schon im Herbst 1914 129.000 Mark und ein Jahr später 285.000 Mark umfasste. Wegen der kriegsbedingten Not wurde der Jahresbeitrag kontinuierlich bis auf 50 Mark angehoben. In der Weltwirtschaftskrise überstiegen die Hilfeleistungen an bedürftige Rechtsanwälte und ihre Familien erstmals die Grenze von einer Million Reichsmark. Nachdem die Rechtsanwaltskammern im Dritten Reich im Zuge der Gleichschaltung der Justiz durch das Gesetz vom 13.12.1935 (RGBl. 1935, 1470 ff) aufgelöst worden waren, fiel auch die Hülfskasse der Auflösung anheim. Ihr Vermögen wurde in einen Hilfsfonds der Reichsrechtsanwaltskammer überführt. Diesem Hilfsfonds wurden in den Folgejahren aus dem Haushalt der Reichsrechtsanwaltskammer jährlich 750.000 Reichsmark zugewiesen, um die Unterstützungsleistungen insbesondere während des 2. Weltkrieges aufrecht zu erhalten.
Der Neustart in der britischen Zone
Im Februar 1946 traten in Bad Pyrmont die Vorstände der RechtsanwaltsKammern in der britischen Zone zusammen und erreichten für ihre Vereinigung den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Gestärkt durch diese Neuordnung der anwaltlichen Standesorgane setzten alsbald Bestrebungen ein, die Hülfskasse wiederzubeleben. Anlass hierfür war einerseits, dass die Existenznot in der Anwaltschaft aufgrund der starken Zuwanderung von Kollegen und deren Familienangehörigen aus den Ostgebieten immens war, andererseits nach einer Möglichkeit gesucht wurde, das noch nicht bei der Reichsrechtsanwaltskammer beschlagnahmte Sondervermögen der früheren Hülfskasse zu retten.
Ende Januar 1948 wurde schließlich in Bad Pyrmont die Satzung der „Hülfskasse Deutscher Rechtsanwälte“ beschlossen. Gewählt wurde die Form der BGB-Gesellschaft, weil eine Vereinslösung der Genehmigung der Militärregierung bedurft hätte. Anschließend traten sämtliche Kammern in der britischen Zone der Hülfskasse bei: Braunschweig, Celle, Düsseldorf, Hamburg, Hamm, Kiel, Köln, Oldenburg sowie die Kammer beim Obersten Gericht in der britischen Zone.
Am 1. April 1948 nahm die Hülfskasse ihre Tätigkeit in Hamburg auf und erhielt von den Mitgliedskammern ein Startkapital von 154.000 Reichsmark. Der Jahresbeitrag pro Mitglied betrug 50 RM, was bei etwa 4.000 Anwälten einen Gesamtbeitrag von rund 200.000 RM ergab. Durch die Währungsreform im Juni 1948 wurden die gerade wieder einsetzenden Unterstützungsleistungen nachhaltig in Frage gestellt. Um die Hülfskasse zu „retten“, beschlossen die Mitgliedskammern einen weiteren Beitrag von 20 DM pro Kammermitglied, so dass bis Ende des Jahres 1948 die Unterstützung von 31 Rechtsanwälten, 307 Witwen und 315 Kindern fortgesetzt werden konnte.
Die Hülfskasse heute
Wiederholter Versuche, weitere Kammern als Mitglieder zu gewinnen scheiterten. Stattdessen mussten Austritte hingenommen werden. Dennoch konnten die Unterstützungsleistungen für hilfebedürftige Kollegen und ihre Familien fortgesetzt werden, wofür allerdings die Beiträge pro Kammermitglied kontinuierlich bis zu 110 DM pro Jahr angehoben werden mussten.
Bereits seit 1949 hat die Hülfskasse im gesamten Bundesgebiet zu Weihnachtsspenden aufgerufen. Satzungsgemäß werden die Einnahmen hieraus Mitgliedern aller Rechtsanwaltskammern, die durch Krankheit, Alter oder aus ähnlichen Gründen in Not geraten sind, mit einmaligen Beträgen unterstützt. Witwen und Kinder bis zum Abschluss einer Ausbildung können ebenfalls Weihnachtszuwendungen erhalten. Auch bei dem Spendenaufruf von Bundesrechtsanwaltskammer und Deutschem Anwaltverein aus Anlass des Elbehochwassers im Jahre 2002 konnte sich die Hülfskasse mit ihrer Organisation auf breiter Front bewähren.
Seit dem Jahr 2021 zahlen die Mitgliedskammern an die Hülfskasse einen Jahresbeitrag pro Kammermitglied in Höhe von nur noch 5,00 EUR. Damit wurde auf die Einrichtung der Versorgungswerke und auf die rapide gestiegenen Zulassungszahlen reagiert. Zurzeit gehören der Hülfskasse Deutscher Rechtsanwälte nach wie vor einige Rechtsanwaltskammern aus Norddeutschland sowie die Rechtsanwaltskammer beim Bundesgerichtshof (Karlsruhe) an.
Kurzchronik
8. März 1885 | Gründung der „Hülfskasse für Deutsche Rechtsanwälte“ im Reichsgericht in Leipzig: als Genossenschaft zur Versorgung von dienstunfähigen Rechtsanwälten und ihren Hinterbliebenen |
1914 – 1918 | Kriegsfonds durch die Hülfskasse aufgelegt – zur Unterstützung von Kriegsopfern und deren Familienangehörige; Unterstützungsbetrag: insgesamt: 1,2 Mio. Mark |
1935 | Auflösung der Hülfskasse, Überführung des Vermögens an die Reichsrechtsanwaltskammer in den dortigen Hilfsfonds |
1948 | Neugründung der Hülfskasse, unter Federführung von Justizrat Werner Ranz, durch die Rechtsanwaltskammern in der britischen Zone; Geschäftsstelle in Hamburg eingerichtet |
1948 – 1984 | Auszahlungen von Unterstützungsleistungen über insgesamt 30 Mio. DM |
8. März 1985 | 100-jähriges Jubiläum; Feier im OLG Hamburg |
Sommer 2002 | Hochwasserhilfe unter der Leitung der BRAK und dem DAV: Spendenaktion für durch das Elbe-Hochwasser geschädigte Rechtsanwaltskanzleien |
23. April 2010 | 125-jähriges Jubiläum, Feier im Bundesverwaltungsgericht Leipzig (Fotos finden Sie hier) |
Sommer 2013 | Hochwasserhilfe (Überschwemmungen in Bayern, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt) unter der Leitung der BRAK und des DAV: Weitere Auszahlungen aus dem Hochwasserspendenbestand (aus dem Jahr 2002) an geschädigte Rechtsanwaltskanzleien |
15. Juni 2017 | Auszeichnung mit dem Emil-Von-Sauer-Preis (Fotos finden Sie hier) |
2021 – 2022 | Hochwasserhilfe (Ahrflut in Rheinland-Pfalz und NRW) in Zusammenarbeit mit der BRAK und dem DAV: Auszahlungen aus dem restlichen Hochwasserspendenbestand (aus 2002) an diverse geschädigte Rechtsanwaltskanzleien |
2023 | Weiterhin zahlten und zahlen wir Beihilfen für zahlreiche von Hochwasser betroffene Kanzleien aus. |
8. März 1885
Gründung der „Hülfskasse für Deutsche Rechtsanwälte“ im Reichsgericht in Leipzig: als Genossenschaft zur Versorgung von dienstunfähigen Rechtsanwälten und ihren Hinterbliebenen